Videospiele erkennen wir anhand von Charakteren und Leveln auch nach Jahren noch wieder. Doch meist müssen wir nicht einmal unsere Augen öffnen, um ein Game, das wir lieben, wiederzuerkennen. Musik und Soundeffekte erzielen eine enorme emotionale Wirkung. Wir schauen uns die Geschichte hinter den Tönen in Videospielen an und gehen der Frage nach, wie sie uns beeinflussen.

Kennt ihr das? Ihr hört die „The Legend of Zelda“-Titelmelodie und habt sofort die 8-Bit-Grafik des NES vor Augen. Oder die „Tetris“-Melodie erklingt und ihr macht eine kleine Zeitreise, seid wieder in der Grundschule, mit dem Game Boy in der Hand. Verantwortlich dafür ist unser episodisches Gedächtnis, das persönliche Erlebnisse abspeichert.

Mehr als nur Musik

Habt ihr also beispielsweise in euren Schulferien tagein, tagaus „Super Mario World“ gespielt und unheimlich viel Spaß damit gehabt, dann assoziiert ihr höchstwahrscheinlich den Soundtrack aus dem Spiel mit genau diesem Sommer aus eurer Kindheit. Songs, die mit relevanten emotionalen Inhalten verbunden sind, bleiben in unserem autobiographischen Gedächtnis hängen. Hirnforscher der Université de Bourgogne fanden sogar heraus, dass wir beim Musikhören versuchen, die akustischen Signale auf eine emotionale Bedeutung hin zu analysieren. Hinzu kommt noch, dass harmonische Klänge auf das limbische System einwirken – und genau dort entstehen Emotionen. Wenn wir Musik hören, aktivieren wir sowohl die Hörrinde in unserem Gehirn als auch das Belohnungssystem. Die Hörrinde hilft uns, verschiedene Klangfarben und Rhythmen zu unterscheiden, während das Belohnungssystem durch die Freisetzung von Dopamin positive Emotionen auslöst.

Musik ist in der Lage, unseren emotionalen Zustand zu beeinflussen. Zum Beispiel können schnelle Rhythmen und hohe Töne unsere Herzfrequenz und Atmung beschleunigen und uns in einen Zustand erhöhter Erregung versetzen. Langsamere Rhythmen und tiefere Töne dagegen haben eine beruhigende Wirkung auf uns. Genau das machen sich die Komponisten von Videospielmusik zunutze und setzen ihre Tracks gekonnt ein. Einfaches Beispiel: „Pokémon“. Ihr lauft ganz entspannt durch das hohe Gras und plötzlich ändert sich die Musik schlagartig – ein wildes Pokémon erscheint! Oder denkt nur an den Kampf gegen Sephiroth aus „Final Fantasy VII“. Ein schneller Rhythmus und epischer Gesang bringen euer Herz in Wallung.

Asteroids-Automat im Arcademuseum Seligenstadt
Adaptive Musik passt sich dem Geschehen im Spiel an. Sie kam bereits im 1979 erschienenem „Asteroids“ zum Einsatz.

Einen Schritt weiter geht die sogenannte adaptive Musik in Videospielen. Dabei handelt es sich um Musik, die sich dynamisch dem Spielgeschehen anpasst. Das ist keineswegs ein modernes Phänomen, sondern wurde bereits in den 1970er Jahren eingesetzt, und zwar in „Space Invaders“ und „Asteroids“. Obwohl die Musik in den beiden Arcade-Games aus nur vier beziehungsweise zwei absteigenden Bassnoten bestanden, erinnern sich viele Spieler noch an den Stress gegen Ende der Angriffswellen. Die Synthie-Musik wurde immer schneller und ließ uns hektisch werden.

Das passende Stimmungsbild kreieren

Aber egal, ob adaptiv oder nicht: Videospielmusik und auch Soundeffekte dienen vor allem als Rahmen. Insbesondere als Games noch in den Kinderschuhen steckten, war die Grafik recht simpel. Soundeffekte regten die Fantasie an und schon sah man ein Spiel im neuen Licht. Als immer mehr Games herauskamen, sorgten Sounds und Musik für Wiedererkennungswert. Wer erinnert sich nicht an die markante Startmelodie von „Pac-Man“? Darüber hinaus sorgen Soundtracks für Atmosphäre in den Spielen. Man denke nur an den düsteren und minimalistischen Soundtrack in „Metroid“ auf dem NES. Der Komponist Hirokazu Tanaka hatte zuvor bereits einige Soundtracks für Nintendo geschaffen, aber er wollte mit „Metroid“ eine andere Richtung einschlagen. Statt wie bisher weitgehend fröhliche Melodien zu komponieren, setzte er bei „Metroid“ auf leise Töne, um die klaustrophobische Atmosphäre, in der sich Samus befindet, zu untermalen. Fun Fact: Die Verantwortlichen bei Nintendo mochten die Musik in „Metroid“ anfangs überhaupt nicht.

James Sunderland vor einer Wand
Was wäre „Silent Hill“ ohne die Musik von Akira Yamaoka? Wahrscheinlich nur halb so gut.

Ein weiteres Beispiel für perfekt eingesetzte Musik in einem Videospiel ist „Silent Hill“. Der japanische Komponist Akira Yamaoka dürfte mit seinen Videospiel-Soundtracks maßgeblich dazu beigetragen haben, die „Silent Hill“-Reihe zum Erfolg zu führen. Der harsche Industrial-Sound passt zu den abstrusen Kreaturen, denen man in der unheimlichen Stadt Silent Hill begegnet. In emotionalen Szenen dagegen bekommen die Spieler richtige Songs auf die Ohren, die von der Sängerin Mary Elisabeth McGlynn eingesungen wurden. So etwas nennt sich Leitmotiv.

Ihr seht also: Soundtracks in Games sind ein wichtiger Bestandteil der Identität der Videospiele selbst und durch Erinnerungen, die wir mit diesen Titeln machen, auch ein Teil unserer eigenen Identität. Doch wie sah der Weg von den ersten Tönen in Games bis hin zu richtigen Songs, wie zum Beispiel in „Silent Hill“, aus? Wagen wir eine Zeitreise.

Am Anfang war ein Ton

Videospielmusik hat in den letzten Jahrzehnten einen erstaunlichen Wandel durchgemacht. Wo sie einst nur aus einfachen, klobigen Soundeffekten und simplen Melodien bestand, hat sie sich zu epischen Orchesterpartituren und mitreißenden Songs entwickelt, die in der heutigen Popkultur weit verbreitet sind.

In den frühen Tagen der Videospiele war Musik oft ein nachträglich eingefügtes Element. Entwickler konzentrierten sich hauptsächlich auf die Mechanik und das Gameplay des Spiels, und die Musik war nur eine kleine Ergänzung, um das Game etwas interessanter zu machen. Die Akustik selbst bestand meist aus einfachen elektronischen Sounds, die von den primitiven Soundchips in den alten Konsolen produziert wurden. Das erste Spiel, das überhaupt einen Sound produzierte, war Ataris „Computer Space“ im Jahr 1971. Doch erst ein Jahr später revolutionierte ein Videospiel die Branche und machte Sound zu einem festen Bestandteil der Games. An sich war es nur ein einziges Geräusch, das es ausspuckte. Doch dieser reichte bereits aus, um Titel-gebend zu werden: „Pong“. Mithilfe von Spannungsspitzen in den Schaltkreisen konnten die Entwickler den markanten Ton erzeugen, der auftrat, sobald der Ball einen der Balken oder den Spielfeldrand berührte. Übrigens hörte sich dieser „Pong“-Ton auf jedem Kontinent etwas anders an, da die lokalen Stromnetzwerke mit unterschiedlichen Spannungen arbeiten.

Erst mit den Soundchips kamen richtige Melodien zustande. Programmable Sound Generator war das Zauberwort – kurz: PSG. Diese Soundchips wurden in den 70ern in diversen Automaten verbaut und konnten schlichte und monotone Klänge erzeugen. Bekannte Vertreter, bei denen PSG-Soundchips zum Einsatz kamen, sind unter anderem „Space Invaders“ und „Pac-Man“.

The Legend of Zelda: Link greift Oktoroks an
Erst durch den eingängigen Soundtrack fühlt sich „The Legend of Zelda“ wie ein richtig episches Abenteuer an.

Aus dem PSG-Soundchip wurde der SID-Soundchip – Sound Interface Device. Im Grunde war dies ein Mini-Synthesizer, der nun polyphone Melodien erzeugen konnte. Der SID-Soundchip kam beispielsweise beim Commodore 64 zum Einsatz. Der NES dagegen nutzte die eigene CPU mit fünf integrierten Soundkanälen. Die 8-Bit-Ära war geboren. Sie ist vielleicht die bekannteste Zeit in der Geschichte der Videospielmusik. Hier sind Titel wie „Super Mario Bros.“ und „The Legend of Zelda“ entstanden. In diesen Spielen wurden kurze Melodien und einfache Soundeffekte verwendet, um den Spieler durch die verschiedenen Level zu führen und die Stimmung zu setzen. Der Soundtrack war oft sehr eingängig und wurde zum Ohrwurm, der sich in den Köpfen der Spieler festsetzte.

Die Soundtracks entwickelten sich mit der Zeit weiter und die Konsolen wurden Leistungsstärker. Mit der Verbreitung von CDs als Speichermedium der 90er Jahre hatten Entwickler mehr Platz zur Verfügung, um hochwertige Tracks in ihre Spiele zu integrieren. Diese Zeit brachte einige der bekanntesten Soundtracks der Videospielgeschichte hervor, wie zum Beispiel die Musik aus „Final Fantasy VII“, „Metal Gear Solid“ und „Castlevania: Symphony of the Night“.

In den 2000er Jahren erreichte die Videospielmusik eine neue Ebene der Anerkennung. Games wie „Halo“ und „Final Fantasy X“ hatten epische Soundtracks, die fast so beeindruckend waren wie die Spiele selbst. Die Musik wurde nicht mehr nur als Hintergrundgeräusch wahrgenommen, sondern als wesentlicher Bestandteil des Spielerlebnisses. Dies wurde auch dadurch unterstützt, dass viele bekannte Komponisten aus der Film- und Musikbranche, wie Hans Zimmer und Nobuo Uematsu, begannen, Musik für Spiele zu schreiben.

Heute ist Videospielmusik so weit verbreitet, dass sie ihren Weg in die Populärkultur gefunden hat. Spiele wie „Skyrim“ haben einen Soundtrack, der genauso beliebt ist wie das Game selbst und Fans haben oft eine starke emotionale Bindung zu der Musik. Es gibt sogar Konzerte, die sich ganz der Videospielmusik widmen, wie zum Beispiel die Video Games Live-Konzertreihe, die seit 2005 rund um die Welt tourt.

Die Zukunft der Videospielmusik ist vielversprechend. Mit der fortschreitenden Technologie werden die Möglichkeiten für die Integration von Musik in Spiele immer größer. Es ist auch zu erwarten, dass die Zusammenarbeit mit bekannten Komponisten und Musikkünstlern in Zukunft weiter zunimmt, was zu noch beeindruckenderen Soundtracks führen wird.

Bei welchem Soundtrack bekommt ihr immer Gänsehaut? Verbindet ihr bestimmte Videospielmusik mit einer ganz besonderen Erinnerung aus eurer Kindheit oder Jugend?

Bilder: Retro Gaming Crew, Nintendo, Konami

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1 Kommentar

  1. Schöner Artikel. Gibt heutzutage wirklich nur noch wenige Soundtracks, die mir wirklich im Gedächtnis bleiben. Halo und FF sind zB wenige dieser Kandidaten. Bei vielen anderen Spielen ist der Soundtrack zwar handwerklich gut gemacht, bleibt aber irgendwie viel zu stark im Hintergrund als dass er mir im Gedächtnis bleibt.

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